Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich mit dem digitalen Nachlass

FDP stellt Fragen zum digitalen Nachlass

Endlich ist es soweit und das wichtige Thema „digitaler Nachlass“ zieht in den Deutschen Bundestag ein. 30 Fragen wurden von der FDP-Fraktion gestellt. Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Thema: Digitales Testament, Digitaler Erbschein, mögliche Bußgelder und auch die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern und staatlichen Institutionen sind mit aufgeführt.

Das Thema haben wir in den letzten 2 Jahren immer wieder in Richtung Bayerisches Staatsministerium geschoben. (Nachlese)

Es ist endlich an der Zeit, dass unsere Politik Aufklärungsarbeit betreibt und die Nachlassgerichte Ihre Prozesse anpassen.

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage – 29.08.2018 (hib 623/2018)

Deutscher Bundestag Anfrage der FDP-Fraktion Digitaler Nachlass und Digitales Erbe

Deutscher Bundestag Anfrage der FDP-Fraktion Digitaler Nachlass

Berlin: (hib/MWO) Probleme beim Zugang zum digitalen Nachlass sind Thema einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion (19/3954 siehe unten). Nach einem einschlägigen Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juli 2018 (Az. III ZR 183/17) seien weite Bereiche noch ungeklärt, und es stelle sich die Frage, ob rechtsverbindliche Regelungen erforderlich sind, die den Erben die notwendigen Auskunfts- und Zugriffsrechte für Onlineaccounts einräumen, schreiben Abgeordneten. Sie fragen daher die Bundesregierung unter anderem, ob sie bezüglich des digitalen Nachlasses Handlungsbedarf sehe und bereits konkrete Regelungsvorschläge plane. Auch wollen sie wissen, ob die Bundesregierung vorhat, ein verbindliches digitales Nachweisinstrument für den Erbfall zu schaffen, ob sie datenschutzrechtliche Probleme in Bezug auf die Vererbbarkeit personenbezogener Daten sieht und ob nach Ansicht der Bundesregierung ein rechtlicher Unterschied zwischen Informationen aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung in digitaler und analoger Form besteht.

Quelle: Deutscher Bundestag- Presse- 

Deutscher Bundestag Drucksache 19/3954 19. Wahlperiode 23.08.2018

Kleine Anfrage der Abgeordneten, Roman Müller-Böhm, Nicole Bauer, Nicola Beer, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Mario Brandenburg, Dr. Marco Buschmann, Britta Katharina Dassler, Hartmut Ebbing, Dr. Marcus Faber, Otto Fricke, Katrin Helling-Plahr, Torsten Herbst, Katja Hessel, Manuel Höferlin, Reinhard Houben, Olaf in der Beek Ulla Ihnen, Thomas L. Kemmerich, Pascal Kober, Alexander Kulitz, Oliver Luksic, Alexander Müller, Hagen Reinhold, Thomas Sattelberger, Dr. Wieland Schinnenburg, Frank Sitta, Judith Skudelny, Bettina Stark-Watzinger, Benjamin Strasser, Katja Suding, Gerald Ullrich, Katharina Willkomm und der Fraktion der FDP

Digitaler Nachlass

Der digitale Nachlass wird ein immer virulenteres Problem. Je weiter die Digitalisierung fortschreitet, umso mehr Dinge werden online erledigt, gespeichert, verwaltet und genutzt. Die Zeiten, in denen alle wichtigen Unterlagen zu Hause aufbewahrt wurden und die Erben somit meist von den wichtigsten Vertragsbeziehungen und Korrespondenzen des Erblassers Kenntnis erlangen konnten, gehören der Vergangenheit an. Verträge, Eigentum, Kontakte, Bilder, Bibliotheken, Musiksammlungen, Videos, Webseiten, Blogs, Social-Media-Accounts, Konten, Lizenzen, Gehaltsabrechnungen, Urkunden und vieles mehr wird zunehmend nur noch digital und zudem cloudbasiert gespeichert. Erben haben es meist nicht nur schwer, an Passwörter zu kommen, sie wissen oft noch nicht einmal, bei welchen Online-Diensten die verstorbene Person überhaupt registriert war. Dies führt zu erheblichen Schwierigkeiten. Zum einen können Erben innerhalb der sechswöchigen Ausschlagfrist kaum entscheiden, ob sie das Erbe annehmen oder nicht, da schlicht die notwendigen Informationen fehlen. Zum anderen wird es Erben oft unmöglich gemacht, die Rechte und Pflichten, in die sie mit der Erbschaft eingetreten sind, geltend zu machen. Das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12. Juli 2018 (Az. III ZR 183/17) hat in einigen offenen Punkten Klarheit gebracht, weite Bereiche sind aber noch ungeklärt . Die Zugangsrechte für einen Facebook-Account sind nur ein Teilausschnitt des Problems. So stellt sich die Frage, ob rechtsverbindliche Regelungen erforderlich sind, die den Erben die notwenigen Auskunftsrechte und Zugriffsrechte für Onlineaccounts einräumen. Zurzeit hängt es noch von der Entscheidung und dem Ermessen des jeweiligen Internetanbieters ab, ob er Erben überhaupt eine solche Auskunft erteilt und ob er ihnen darüber hinaus entsprechende Zugriffsrechte eingeräumt. Zum Teil wird Erben (wie z. B. bei der iTunes Musikbibliothek) der Zugriff auch dann komplett verweigert, wenn alle Zugangsdaten bekannt sind. Dies wirft die Frage auf, ob den Erben nicht entsprechende einheitliche Auskunfts- und Zugriffsrecht einzuräumen sind, egal in welchem Land das jeweilige Unternehmen seinen Sitz hat.

Es könnte nach Ansicht der Fragesteller auch überlegt werden, ob das Nachlassverfahren nicht generell digitalisiert werden sollte. Zudem ist fraglich, inwieweit Regelungen bezüglich eines „digitales Testament“ notwendig sind, oder ob ein solches bereits jetzt von den Unternehmen, die Onlinedienste anbieten, vorgehalten werden könnte und wenn ja, in welcher Form.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung bezüglich des digitalen Nachlasses Handlungsbedarf?

2. Plant die Bundesregierung bereits konkrete Regelungsvorschläge zum digitalen Nachlass vor? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wenn nein, wieso nicht?

3. Hält die Bundesregierung Maßnahmen für notwendig, um die Zusammenarbeit zwischen privaten Anbietern und staatlichen Institutionen bei Fragen des digitalen Nachlasses zu verbessern? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wenn nein, wieso nicht?

4. Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung die Schutzbedürftigkeit von privater, digitaler Korrespondenz durch die fortschreitende Verflechtung von Alltag und sozialen Netzwerken erhöht? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, wieso nicht?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung Regelungen zu schaffen, die Erben umfassende Auskunfts- und Zugriffsrechte gegenüber Unternehmen, die Onlinedienste anbieten, einräumt? Wenn ja, wie sollen diese aussehen? Wenn nein, wieso nicht?

6. Wenn ja, sollen diese auch unabhängig vom Sitzland des Unternehmens durchsetzbar sein?

7. Hat die Bundesregierung vor, ein verbindliches, digitales Nachweisinstrument für den Erbfall zu schaffen, z. B. einen digitalen Erbschein? Wenn ja, welche Ausgestaltungsform sieht die Bundesregierung dafür vor? Wenn nein, wieso nicht?

8. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bezüglich der Digitalisierung des gerichtlichen Nachlassverfahrens? Wenn ja, welche entsprechenden Regelungen hält die Bundesregierung für angebracht? Wenn nein, wieso nicht?

9. Sieht die Bundesregierung Bedarf für entsprechende europäische Regelungen? Wenn ja, welche Regelungen sind denkbar? Wenn nein, wieso nicht?

10. Sieht die Bundesregierung über Artikel 62 ff. Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses hinaus Bedarf bezüglich der Einführung eines digitalen, europäischen Erbschaftsnachweises? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, wieso nicht?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung Regelungen bezüglich „digitaler Testamente“ zu treffen, damit im Todesfall Daten, die ohne rechtliche Relevanz für die Erben sind, gelöscht werden können? Wenn ja, wie sollen diese ausgestaltet werden? Wenn nein, wieso nicht?

12. Hält die Bundesregierung Regelungen in Nutzungsbedingungen von Unternehmen für rechtmäßig, die die Löschung der gespeicherten Daten im Todesfall vorsehen? Wenn nein, wieso nicht?

13. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung rechtlich bedenklich, Accounts in sog. „Gedenkzustände“ zu versetzen, wenn dies alleine in den Nutzungsbedingungen des jeweiligen Unternehmens geregelt wurde? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?

14. Geht die Bundesregierung davon aus, dass einzelvertragliche Regelungen zwischen Unternehmen und Accountinhaber bezüglich der Handhabung der gespeicherten Daten im Todesfall zulässig wären, insbesondere, wenn der Accountinhaber zwischen verschiedenen Optionen wählen kann, was mit seinem Account im Todesfall geschehen soll? Wenn ja, aufgrund welcher Vorschriften? Wenn nein, wieso nicht und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

15. Bestehen nach Ansicht der Bundesregierung rechtliche Bedenken bezüglich der nutzungsrechtlichen Regelung einiger Unternehmen, bezahlte Onlineinhalte (wie z. B. cloudbasierte Musiksammlungen bei iTunes) im Todesfall nicht den Erben zur Verfügung zu stellen? Wenn ja, welche? Wenn nein, wieso nicht?

16. Welches Recht ist nach Ansicht der Bundesregierung auf Unternehmen mit Sitz außerhalb Deutschlands in Bezug auf die Rechtmäßigkeit ihrer Nutzungsbedingungen anwendbar, welche Regelungen für den Fall des Todes des Nutzers enthalten (sowohl hinsichtlich des Accounts selbst, erworbener Nutzungsrechte, dem Umgang mit personenbezogenen Daten des Nutzers)?

17. Sieht die Bundesregierung in Bezug auf Frage 16 gesetzlichen Regelungsbedarf?

18. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es möglich ist – generell sowie über den Tod hinaus – dass eine Person eine „Lizenz zur Nutzung“ sie betreffender personenbezogener Daten erteilt (vgl. Urteil des BGH vom 12. Juli 2018, Az. IIII ZR 183/17, Rn. 38)?

19. Sieht die Bundesregierung datenschutzrechtliche Probleme in Bezug auf die Vererbbarkeit personenbezogener Daten? Wenn ja welche? Wenn nein, wieso nicht?

20. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung ein rechtlicher Unterschied zwischen Informationen aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung in digitaler und analoger Form? Wenn ja, welcher? Wenn nein, wieso nicht?

21. Geht die Bundesregierung von der Aufteilbarkeit des digitalen Nachlasses auf einzelne Erben bei zusammenhängenden personalisierten Strukturen (Accounts; e-Bibliotheken; Benutzerprofile) aus? Wenn ja, aufgrund welcher Vorschriften? Wenn nein, wieso nicht?

22. Möchte die Bundesregierung eine solche Trennung rechtlich gewährleisten?

23. Geht die Bundesregierung unter den gegebenen gesetzlichen Regelungen von der erbrechtlichen Trennbarkeit zwischen dem technischen Endgerät und den darauf gespeicherten Daten aus? Wenn ja, welche Regelungen hält die Bundesregierung hier für einschlägig? Wenn nein, sieht die Bundesregierung die Einführung entsprechender Gesetze für erforderlich?

24. Stehen den Kommunikationspartnern des Verstorbenen nach dessen Tod nach Ansicht der Bundesregierung möglicherweise Ansprüche auf Löschung der Inhalte des digitalen Inhalts, der sie betrifft zu oder auf dessen Herausgabe (z. B. bei vertraulichen oder intimen Kommunikationsinhalten oder Photos)?

25. Wie beabsichtigt die Bundesregierung gegen Unternehmen vorzugehen, die die entsprechenden Auskunfts- und Zugriffsrechte den Erben gegenüber widerrechtlich verweigern? Wie steht die Bundesregierung zu gesetzlich verankerten Sanktionsmaßnahmen wie z .B. Bußgeldern?

26. Wie beabsichtigt die Bundesregierung gegen Unternehmen vorzugehen, die unzulässige Nutzungsbedingungen verwenden? Wie steht die Bundesregierung hier zu gesetzlich verankerten Sanktionsmaßnahmen wie z. B. Bußgeldern?

Berlin, den 22. August 2018
Christian Lindner und Fraktion

Quelle: Deutscher Bundestag Anfrage der FDP-Fraktion

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